Schlagwort: Theologie

„Ha Makom“ oder: Wo finden wir Schutz?

Innenraum der Autobahnkirche Siegerland.

Innenraum der Autobahnkirche Siegerland.

„Ha Makom“ ist hebräisch und heißt übersetzt „Ort“. Gleichzeitig ist es eine Umschreibung des Ewigen. Der Ort der Ewigen war für lange Zeit der Tempel in Jerusalem. Eine der großen Katastrophen für das damalige Judentum war die Zerstörung des Tempels, der Verlust des Ortes des Ewigen. Das Studium und das Gespräch über die Thora, die Schrift, wurde zu einem beweglichen Ort der Begegnung. Aus dieser Tradition wuchsen an vielen neuen Orten zunächst im Mittelmeerraum solche Orte des Gesprächs und der Begegnung, Lehrhäuser, in denen sowohl mündliche als auch schriftliche Gespräche und Kommentare zur Schrift und über die gegebenen Gebote entstanden.

Orte der Begegnung verschiedener Blickwinkel, Orte des Abwägens und des genauen Auslotens, Orte mehr vom ‚Sowohl als auch‘ als vom ‚Entweder oder‘ geprägt, aber auch von Geboten der Thora bestimmt. Diese Gebote haben sich Christen und Muslime in ihren Schriften ebenfalls auf eigenständige Weise zu eigen gemacht und einen Raum des Vor-Gott-Lebens entwickelt. Diese Adaptionen sind nicht selten konfliktreich, bis zum heutigen Tage.

Wir haben viel zu besprechen über das Scheitern und das Gelingen, über das Verzweifeln und das Hoffen, über das Leben und das Sterben, über Gott/Ha Makom und die Welt. Wir brauchen viele große und kleine Orte – Gesprächsräume des Auslotens und des Abwägens, des Sowohl-als-auch, im Zwischenraum zwischen gut und böse, zwischen schwarz und weiß, zwischen richtig und falsch. Mögen unsere theologischen Gesprächsangebote ein Beitrag sein zu der Menge der Gesprächsräume, die wir hier und weltweit brauchen, damit das Zusammenleben von Verschiedenen in gegenseitigem Respekt und anerkennender Würde weiterhin bzw. endlich wieder gelingt. Diese Gesprächsräume bieten Schutz. Sie entstehen nur mit Ihnen und all den anderen zusammen, die sich, vielleicht zum ersten Mal, darauf einlassen.

SEMINAREMPFEHLUNG

Di., 18.02. – 20.05.2025, außer 02.04. und Osterferien | 11:00–12:45 Uhr
Vom Umgang mit Scheitern und Niederlagen
Die theologische Akademie am Vormittag
„Hinfallen – Aufstehen – Krone richten – weitergehen“. So sagt ein Sprichwort. Das Spannende sind die Bindestriche zwischen den Worten. Welche Ermutigung bzw. Motivation können denn zum Aufstehen helfen? Was passiert zwischen Hinfallen und Aufstehen? Die Bibel und theologische Tradition sind voller Kraftquellen und Perspektiven. „So Gott will – und er lebt“ (F.W. Marquardt) – vielleicht geht es in einer christlichen Theologie nach der Shoa nicht anders?
Jörg Heimbach, Dr. Martin Bock
Anmeldung erforderlich
10 Termine | 20 Ustd | 55,00 € | Nr. 1003B

Mi., 14.05.2025, 19:00–20:30 Uhr ONLINE
An den Kanten STARK
Interreligiös Theologie treiben – Infoabend
Das interreligiöse Lernprojekt beginnt im Sommer 2025 aufs Neue. Mit der Formulierung „An den Kanten“ betonen wir, wie wichtig uns die Verwicklung der Theologie in die großen gesellschaftlichen, ökologischen und spirituellen Transformationen ist. „Interreligiös Theologie treiben“ heißt, dass wir konsequent jüdische, christliche und muslimische Stimmen als Referent:innen und Teilnehmende ansprechen, auch über den Kölner Raum hinaus.
Dr. Martin Bock, Dorothee Schaper, Antje Rinecker
Anmeldung erforderlich
1 Termin | 2 Ustd | Eintritt frei | Nr. 1016B

Mi., 04.06.2024, 19:30–21:00 Uhr
Kirchenasyl tut Not und macht Sinn!?!
Ein Bericht zur aktuellen Situation
Gebetsort als schützender Raum für Menschen in Bedrängnis – diese Idee und Aufgabe ist so alt wie die Thora und das Alte Testament. Kirche als klärender Schutzraum für eine begrenzte Zeit. Dazu haben sich einige Kirchengemeinden entschlossen. Die Anfragen von bedrängten Personen reißen nicht ab. Wie sieht die aktuelle Lage aus? Was macht das Dublin-Abkommen mit dem Kirchenasyl? Das ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche NRW berichtet von aktuellen Erfahrungen hier in NRW und in Bulgarien. Das Netzwerk „Lokal Vielfalt“ aus Bilderstöckchen Nippes hat diesen Notstand im Blick und reagiert mit einem neuen Projekt. Es stellt seine aktuellen Perspektiven und Ideen für die Kölner Region vor.
In Kooperation mit Lokal Vielfalt und dem ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche NRW
Benedikt Kern, Reinhild Widdig, Jan Niklas Collet, Jake Jesinghaus
Anmeldung erforderlich
1 Termin | 2 Ustd | 5,00 € | Nr. 1033S

Gebetsruf an der Venloerstraße – Eine Erkundung im Zwischenraum

Als evangelische Pfarrerin in Köln und langjährige Wegbegleiterin des Moscheebaus an der Venloerstraße möchte ich am Freitag, den 14.10.2022, dabei sein, wenn der Ruf zum Gebet an der Zentralmoschee zum ersten Mal in diesem Rahmen im öffentlichen Raum ausgerufen wird. Wie wird es klingen?  Wie wird sich der neue Sound in das Konzert der Klänge von Autolärm, Glockengeläut, Kinderstimmen, Fahrradklingeln etc. an der Venloerstraße einfügen? Wer wird dort sein? Wer wird seine Stimme erheben? Um 13.20h stehe ich an der Moschee.

Schaue ich zur rechten Seite der Straße, sehe ich muslimische Frauen und Männer in Erwartung des Freitagsgebets die Freitreppe zur Moschee hinaufgehen. Ob sie sich freuen, dass ihre Religion in dieser Stadt nicht nur sichtbar, sondern zur Gebetszeit auch hörbar ist? Ob sie sich als Kölner:innen an diesem Tag auch an die verpatzte Eröffnung der Moschee oder an die rechtsgerichteten Proteste gegen die Moschee hier auf der Straße erinnern? Viele von ihnen scheinen mir zu jung für diese Erinnerung.

Schaue ich zur linken Seite der Straße, sehe und höre ich ein Gruppe von Protestierenden:  ‚Frauen Leben Freiheit‘ –  der Slogan, der in diesen Tagen besonders im Iran, aber auch weltweit in Solidarität mit den Protestierenden im Iran skandiert wird. Frauen mit iranischer Herkunft und solidarische Begleiter:innen haben sich in Position gebracht, um auf den mutigen Kampf der Frauen für Freiheit und Gerechtigkeit im Iran aufmerksam zu machen. Ob sie den Ort ihres Protestes gewählt haben, weil sie wissen, dass viel Presse zugegen sein wird? Oder brauchen sie einfach irgendeinen muslimischen Adressaten für ihre Kritik und da es in Köln nur eine sehr kleine schiitische Moschee gibt, haben sie sich lieber für die sichtbarste und größte Moschee entschlossen?

Ich befinde mich auf dem Bürgersteig im Dazwischen, die Zwischenräume im öffentlichen Raum scheinen besonders geeignet, um die Errungenschaften einer offenen Gesellschaft zu erkunden. In diesem Moment wird der Bürgersteig an der Venloerstraße, an dem ich mich befinde, zu einem besonderem Erfahrungsraum zwischen der Freiheit von Religion bzw. der Trennung von Staat und Religion und der Freiheit zur Religion. Wer wird zu Gehör kommen? Welche Stimmen werden wie laut zu hören sein?

Ich weiß es zu schätzen, dass in diesem säkularen Rechtsstaat die verschiedenen Stimmen, sowohl die religiösen als auch die säkularen, sowohl die Frauen als auch die Männer im öffentlichen Raum gleichberechtigt hörbar sind, ihren Platz haben und staatlicherseits geschützt werden – weltweit leider immer noch nicht selbstverständlich. Ich bin erleichtert, dass am heutigen Tag nicht wie in zurückliegenden Jahren die rechtsradikalen und rechtspopulistischen Gruppen und Parteien das Bild des Protestes bestimmen. Jedenfalls kann ich keine rechten Sprüche hören oder Plakate sehen. Haben wir doch in den vergangenen Jahren zu Genüge gegen dieses Szenario auf der Venloerstraße vor der Moschee für die Moschee gestanden.

…und dann wird es 13.24h – die angekündigte Zeit zum Gebetsruf. Ich stehe direkt vor dem Treppenaufgang zur Moschee und höre ihn leise, den Ezan, den Ruf zum Gebet und das Bekenntnis zu dem einen Gott und Mohamed, seinem Propheten. Er fädelt sich relativ unaufgeregt in die Klangwelt und Geräuschkulisse der Straße ein und ist nach wenigen Minuten wieder verklungen. Man muss bewusst lauschen, um ihn in der Vielstimmigkeit der Straßenecke herauszuhören. Es bestätigt mich in der Einschätzung, dass die Kritik an der Abhängigkeit der DITIB vom türkischen Ministerium für Religionsangelegenheiten einen anderen Anlass und Zeitraum braucht als diese drei Minuten öffentlicher Gebetsruf unter 60 Dezibel. Auf jeden Fall ist der Autolärm und die entschlossenen Rufe der Frauen: ‚Frauen, Leben, Freiheit‘, die die Gewalt und Brutalität der islamischen Republik Iran nicht mehr ertragen, deutlich lauter. Auf den Autolärm und Ressourcenverbrauch, der ihn verursacht, kann unsere Gesellschaft gut und gerne verzichten – auf die Stimmen, die ein deutliches NEIN gegen den Machtmissbrauch durch die Verquickung von Staat und Religion/Ideologie setzen und sich für eine offene, diverse Gesellschaft einsetzen allerdings auf keinen Fall, in diesen Zeiten, in denen demokratische Strukturen von despotischen Kräften und Mächten bedroht werden. Wir brauchen sie alle, die diversen und kontroversen Stimmen, die eine Demokratie stark machen und demokratisches Tun unterstützen.

In diesem Sinne hoffe ich, dass die Polyphonie der Säkularen und Gläubigen, der Einheimischen und Eingewanderten, der Glocken und Gebetsrufer, Kopftuch- und Kippaträger:innen weiterhin sichtbar und hörbar ist und diese Gesellschaft und Stadt mit ihren religiösen und säkularen Räume prägen werden und sich die Bürger:innen unserer Gesellschaft an dieser Vielstimmigkeit erfreuen und in diesen Zeiten für sie wehrhaft einstehen.                                                                                                                                                                                                                                                      Dorothee Schaper

Wer bin ich? – Dietrich Bonhoeffer heute gelesen- Eine Textcollage

Am 9.04.1945 wurde der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer ermordet. Und so werden in diesen Tagen in Erinnerung an Dietrich Bonhoeffer seine Texte gelesen und bewirken ihr eigenes Echo in der Reflexion von hier und jetzt. Studienleiterin Dorothee Schaper hat Teile aus Widerstand und Ergebung/Briefe aus der Haft von Dietrich Bonhoeffer in sich zum Klingen gebracht:

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