Schlagwort: Empowerment

WenDo: Selbstbehauptung und Selbstverteidigung als Bildungsauftrag

In der Erwachsenenbildung gewinnen Themen wie Gewaltprävention, Persönlichkeitsstärkung und Gendergerechtigkeit zunehmend an Bedeutung. Ein Ansatz, der all diese Aspekte vereint und dabei auf lebensnahe, praxisorientierte Weise arbeitet, ist WenDo – ein feministisches Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstraining für Frauen und Mädchen.

Der Name „WenDo“ setzt sich aus dem englischen Wort(en) „when“ (für Zeitpunkt) und dem japanischen „Do“ (Weg) zusammen. Übersetzt bedeutet es sinngemäß: „Weg der Frauen“. WenDo wurde in den 1960er Jahren in Kanada entwickelt als Reaktion auf die gesellschaftsspezifischen Bedürfnisse und Erfahrungen von Frauen. Es entstand eine Methode, die Strategien zur Verhütung von Angriffen mit konkreter Verteidigung oder körperlicher Gegenwehr kombiniert.

WenDo ist keine Kampfkunst im klassischen Sinn. Es geht nicht um sportliche Leistung, körperliche Fitness oder Trainingsdisziplin. Vielmehr zielt WenDo auf das Erkennen und Vermeiden gefährlicher Situationen, auf Selbstbehauptung und Selbstverteidigung im umfassenden Sinn versteht. Die Teilnehmerinnen lernen, ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren, sich klar und deutlich auszudrücken – mit Stimme, Blick und Körpersprache – und im Ernstfall gezielt und effektiv zu handeln.

Typische Inhalte eines WenDo-Kurses sind:

  • das Erkennen und Einschätzen von Gefahren
  • das Einüben klarer „Nein“-Situationen
  • Stimmbildung und Körpersprache mit Alltagsbezug
  • Rollenspiele mit Alltagsbezug
  • Reflexion sowie alltagspraktische körperliche Techniken

WenDo bietet eine Alternative zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen und räumt der Erfahrung der Teilnehmerinnen den Vorrang ein. Erfahrungen, Perspektiven und die persönlichen Spielräume der Teilnehmerinnen stehen im Mittelpunkt. Jede Person soll sich in ihrem Alltag geschützt fühlen.

Feministischer Hintergrund

WenDo ist ein explizit feministischer Ansatz. Die Methode geht davon aus, dass Gewalt gegen Frauen kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem ist. Frauen erfahren in allen gesellschaftlichen Machtverhältnissen die bestimmte Gruppen systematisch benachteiligen. WenDo setzt hier an, indem es Selbstermächtigung fördert und einen Raum schafft, in dem Erfahrungen ernst genommen und Handlungsstrategien gemeinsam entwickelt werden können.

In den Kursen wird nicht nur trainiert, wie man sich körperlich wehren kann – mindestens ebenso wichtig ist es in der Auseinandersetzung mit eigenen Haltungen zu erkennen: Wovor habe ich Mut, und zu werden? Warum zögere, friere ich in Situationen? Wie kann ich meine Angst in Handeln verwandeln? WenDo schafft ein geschütztes Umfeld, in dem solche Fragen offen besprochen werden können.

Bedeutung für die Erwachsenenbildung

Gerade im Kontext der Erwachsenenbildung bietet WenDo großes Potential. In einer Zeit, in der die psychische und physische Belastung vieler Menschen steigt, Empowerment-Ansätze jedoch oft nur auf individueller Ebene greifen, bietet WenDo einen kollektiven, solidarisch Lernprozess. Es fördert Selbstwirksamkeit und stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – unabhängig von Bildungssstand, Herkunft oder Alter.

WenDo ist weit mehr als ein Selbstverteidigungskurs. Es ist ein Bildungsansatz, der Menschen stärkt, gesellschaftliche Strukturen hinterfragt und dazu anregt, dass Gewalt nicht als individuelles Schicksal, sondern als veränderbare Realität verstanden wird. WenDo leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer emanzipierten, solidarischen Gesellschaft.

Angebot in Kooperation mit Paula e.V.

Paula e.V. in Köln ist eine spezialisierte Beratungsstelle für Frauen ab 60 Jahren, die bestehende oder traumatische Erfahrungen von (sexualisierter) Gewalt, Stalking, Diskriminierung oder Pflegeabhängigkeit betreffen. Der Verein bietet traumasensible Beratung und therapeutische Unterstützung für Frauen aus der Lebenswelt Alter. WenDo als Selbstbehauptung und Selbstermächtigung bereichert Frauen auch in späteren Lebensphasen. Deshalb ist Paula e.V. gefragter Kooperationspartner für Bildungsurlaube und WenDo-Kurse bei der Akademie, um auch auf diese besonderen Bedürfnisse aufmerksam zu machen.

Orange Days #Köln gegen Gewalt an Frauen

Zwar fällt die Veranstaltung nicht in den Zeitraum der Orange Days, sie steht jedoch inhaltlich ganz in ihrem Zeichen.

VERANSTALTUNGSTIPPS

Mi, 10.09.2025, 10:00 – 14:00 Uhr
WenDo Kurs für Frauen ab 60
Stärken erkennen, Grenzen setzen und Handlungsspielräume erweitern
Sabine Rasquin
Teilnahmebeitrag nach Selbsteinschätzung: 10,00 – 45,00 € | Nr. 2526BIR

Kölner Rom:nja und ihre un-/sichtbare/-n Geschichte/-n

Im zweiten Halbjahr rücken Kölner Rom:nja mit ihren Geschichten in den Mittelpunkt einer Veranstaltungsreihe der Melanchthon-Akademie. Viele dieser Geschichten sind mit Erzählungen verbunden, in denen es um Zumutungen, Unsichtbarkeit, Verdrängung, Missachtung, Feindschaften, Gewalt oder Ressentiments geht.

Auf dem Bild sehen Sie die Teilnehmerinnen des Deutschkurses von Wila Borrings im ROM e.V. Am 9. Mai 2025 lasen sie bei einer festlichen Veranstaltung selbst verfasste Gedichte zum Thema „Wenn ich an meine Geschichte denke, denke ich an…“. Die Texte wurden auf Romanes, Serbisch und Deutsch zu Gehör gebracht.

Auf dem Bild sehen Sie die Teilnehmerinnen des Deutschkurses von Wila Borrings im ROM e.V. Am 9. Mai 2025 lasen sie bei einer festlichen Veranstaltung selbst verfasste Gedichte zum Thema „Wenn ich an meine Geschichte denke, denke ich an…“. Die Texte wurden auf Romanes, Serbisch und Deutsch zu Gehör gebracht.

Rom:nja sind schon sehr lange Teil der pluralen Gesellschaft in Deutschland und auch in Köln, wobei ihnen immer wieder eine selbstverständliche Zugehörigkeit abgesprochen wurde und wird. Ein spezifisch, sich gegen Rom:nja und Sinti:ze richtender (Gadje-)Rassismus war aus der deutschen Bevölkerung nie verschwunden – auch nicht nach dem Porajmos, dem nationalsozialistischen Genozid an europäischen Sinti:ze und Rom:ja.

Gadje-Rassismus imaginiert Sinti:ze und Rom:nja als fremdartig, anders, bösartig und wird auch in der Gegenwart als Begründung für Ausgrenzung, Feindschaft bis hin zu Gewalt genutzt. In der sog. Mitte-Studie des RomaniPhen Instituts stellte 2023 mehr als jede:r zweite befragte Person Sinti:ze und Rom:nja eine Neigung zur Kriminalität¹ vor – noch weniger als jede:r gaben in einer anderen Studie mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie ein Problem damit hätten, „wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegenwart aufhalten“² – deutsche Zustände.

Immerhin, mehr als 80 Jahre nach dem Ende des NS, nach dem Zivilisationsbruch, nach der Befreiung von Auschwitz, sind solche Zustimmungswerte nichts anderes als ein Skandal.

Darum – um Zumutungen, Feindschaft, um das Verdrängen von NS-Verbrechen – wird es bei den Veranstaltungen in unserer Reihe gehen, aber nicht nur: wir wollen Kölner Rom:nja auch ganz andere Geschichten erzählen lassen: Geschichten vom Erinnern, vom Widerstand, von Kämpfen um Anerkennung sowie ihrer Bürger:innenrechte, von Selbstbehauptung und Empowerment, von Freundschaften, Allianzen und von Solidarität, von ganz alltäglichen Erfahrungen von Schönheit, Liebe und Geborgenheit, von Poesie und von Träumen, von Kreativität in der Literatur und der Romanes-Sprache, in der Musik und im Theater.

Bei allen Veranstaltungen kommen Menschen aus Rom:nja-Communities selbst zu Wort. Alle Veranstaltungen finden in Kooperation mit dem ROM e.V. Köln statt. Wir laden Sie und Euch herzlich dazu ein!

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Di., 02.09.2025, 17:30–20:30 Uhr
Rom:nja. Auf Spurensuche der Geschichten von Rom:nja und Sinti:ze in Köln
Stadtführung
José Xhemajli und Lisa Willnecker
1 Termin | 5,00 € | Nr. 2212H

Mi., 03.09.2025, 19:00–20:30 Uhr
Unsichtbare Geschichte(n)? Perspektiven von Rom:nja auf Kölns Erinnerungskultur
Vortrag & Diskussion
José Xhemajli und Lisa Willnecker
1 Termin | Eintritt frei | Nr. 2213H

Mi., 29.10.2025, 18:30–20:00 Uhr
„Aus der Hoffnungslosigkeit erwuchs die Liebe“
Ein biographisch-literarischer Abend mit dem Dichter und Rom-Aktivisten Radjko Russo Sejdovic
1 Termin | 5,00 € | Nr. 2219H

Mi., 19.11.2025, 18:00 Uhr
Lesung mit dem Lyriker, Kolumnisten, Kabarettisten Jovan Nikolić zum Internationalen Tag der Romanes-Sprache
Jovan Nikolić liest aus Hotel Nicaragua und ausgewählte Lyrik
1 Termin | Eintritt frei | Nr. 6213F

Quellen:
¹ Zick, Andreas/Küpper, Beate/Höller, Nico (Hrsg., 2023): Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2022.
² Decker, Oliver/Hegemann, Johannes/Brähler, Elmar (2014): Die stabilisierte Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014, Leipzig, S. 50.

Raum der Freiheit: Perspektivwechsel gestalten – Zwischen Notwendigkeit und Freiheit

Gibt es in einer Welt, die voller Räume mit Rissen und Notwendigkeiten ist, einen Gegenentwurf? Gibt es einen Raum der Freiheit? Wo ist er wohl und wie kann er aussehen?

Foto: Seleneos von photocase

Im Nachdenken über Engagement und inspiriert von dem Journalisten und Philosophen Jürgen Wiebicke habe ich diesen „Goldstaub“ gefunden, um behutsam mit der Metapher von Kintsugi zu arbeiten.

Wie entsteht eigentlich eine gute Idee, aus der sich Engagement entwickelt? Die Antwort so einfach wie überzeugend: indem ein paar wenige Menschen zusammen sind, sich wohlfühlen und sich erlauben, ein wenig verrückt zu sein. Wenige bewirken viel!

Wenige bewirken viel, widerspricht den aktuellen Narrativen der Ohnmacht: ich kann ohnehin nichts bewirken. Wenige bewirken viel, wenn Begegnung gelingt, man sich dann tief in die Augen schaut, sich eine Prise Verrücktheit erlaubt und etwas wagt.

Dabei ist wichtig: es ist die Begegnung, die jedem guten Engagement zugrunde liegt. Erst Begegnung, dann Engagement! Wenn eine gute Idee nicht/nicht mehr funktioniert, dann nicht deshalb, weil die Idee nicht mehr gut ist, sondern weil das Miteinander und die Kultur der Begegnung nicht/nicht mehr funktionieren.

Der Gewinn gelingenden Engagements liegt auf der Hand. Es entsteht Unterstützung, ein großartiges Projekt, Gemeinschaft und die einzelnen Engagierten gewinnen auch. Sie können das Land der Notwendigkeiten, im Privaten wie im Beruflichen verlassen und das Land der Freiheit betreten.

Gemeinsam an etwas zu arbeiten, etwas zu machen, verleiht Macht, Wirksamkeit, manchmal sogar Erfüllung. Wenn Begegnung derart moralbefreit in Engagement mündet, dann ist es ansteckend, gelingt es auch.

Als Engagierte wenden wir den Blick von den Krisen ab und dem Möglichen zu. Die neue Welt fängt mitten in der alten an. Was für ein Perspektivwechsel!

Perspektivwechsel kann ich einüben. Auch hier gilt, in Begegnung, in Gemeinschaft mit anderen gelingt das besser. Auch hier verlasse ich das Land meiner Notwendigkeiten und betrete das Land der Freiheit. Ich richte mich gemeinsam mit anderen aus. Richte mich aus auf das, was in mir ist, was erspürt werden will, was wachsen will, in mir oder in der Gruppe.

Als Gruppe richten wir uns aus auf den Geist, die Inspiration. In solchen Momenten der Präsenz liegt die Chance, dass alte Bilder wegkippen und sich in der Aufmerksamkeit des Augenblicks Neues zeigen kann.

Räume der Freiheit zu eröffnen – das ist der rote Faden der Angebote in diesem Halbjahr.

PROGRAMMHIGHLIGHTS

Fr., 19.09.2025, Fr., 07.11.2025, 18:00–22:00 Uhr
Zusammen.LEBEN.Gestalten
Eine Inspirations-Fortbildung
Antje Rinecker, Stefan Hößl, Martin Bock
2 Termine | kostenfrei | Nr. 4221R

Do., 09.10.2025, 19:30–21:00 Uhr
„Herzensweite und klare Kante“ – Warum beides zusammen gehört.
Keltische Spiritualität für heute

Gerold Vorländer
1 Termin | 8,00 € | Nr. 4215R

Di., 28.10.2025, Di., 18.11.2025, 17:00–21:00 Uhr
„Am Anfang war…“
Zwei Workshops zu den biblischen Schöpfungserzählungen

Karsten Leverenz
2 Termine | je 15,00 € | Nr. 4233R

Mi., 27.11.2025, 19:00–21:00 Uhr
„Schäm Dich!?“
Vom Sinn und Drama unserer Schamgefühle – Drei biblische Schamgeschichten

Jörg Heimbach, Antje Rinecker
3 Termine | 24,00 € | Nr. 4217R

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