Hiob wo bist Du?

Hiob – Du Held der Weltliteratur.

Hiob  – du Sinnbild eines Menschen, der alles und mehr hatte, als er brauchte und dem alles und mehr genommen wurde… bis Du in der Asche deiner Wunden saßest und diese mit einer Scherbe zu schaben begannst.

Hiob – Du Sinnbild eines Menschen dem Leid widerfährt, der mit Gott ringt, der seine Klage vor Gott bringt und der sitzend in seiner Asche nicht aufhört seiner Familie und seinen Freunden Rede und Antwort zu stehen und Gottes Erhabenheit als seinen Schöpfer zu preisen.

Hiob wo bist Du?

…..noch im Lande Uz, wo Du als rechtschaffender und gottesfürchtiger Mann mit deinen sieben Söhnen und drei Töchtern und deiner Frau und einer Vielzahl von Vieh: Schafen, Rindern, Kamelen und Eseln lebtest als alles anfing?

Oder bist Du hier unter uns?

Wo finden wir dich heute, in diesen Tagen, in denen ein winziger Virus sich empfindlich in unsere gewohnten Abläufe mischt und über den Erdkreis zieht?

Warst Du auf dem quirligen Marktplatz in Wuhan zwischen Fischen, Menschen und Fledermäusen dabei?

Warst Du in Honkong bei den Protesten, Demonstrationen und Aktionen für die Bürgerrechte in den dichtgedrängten Straßen?

Oder in einer der anderen Megacities, in denen die Menschen dicht gedrängt aneinander wohnen?

Warst Du dabei, als die ersten infizierten Menschen in Norditalien offensichtlich wurden?

Sitzt du jetzt bei den Trauernden in Bergamo, die Ihre Toten nicht begraben können?

Bist Du der Beifahrer eines Leichenwagenfahrers in Madrid, der hinter seinen Einsätzen nicht mehr hinterherkommt?

Sitzt Du bei den schiitischen Geistlichen in den leeren Heiligtümern Irans? Oder bei den Familien, für die das persische Neujahr, das größte Fest, bei dem sich die Familien versammeln und feiern, komplett ausfällt?

Bist Du in den leeren Synagogen, die sich in diesen Tagen auf digitale Pessachfeiern vorbereiten?

Sitzt Du in den leeren Moscheen ganz Europas, die sich gerade auf den kommenden Ramadan vorbereiten und noch nicht wissen, wie sie ihre Gläubigen davon abhalten sollen am Abend gemeinsam das Fasten zu brechen?

Bist Du in Mekka –  sonst vor Pilgern strotzend – leergefegt, wo sonst Tausende von Gläubigen Schulter an Schulter die Kaaba umkreisen?

Bist Du in den leeren Kirchen, in denen Gottesdienste von PfarrerInnen und KIrchenmusikern für die GottesdienstbesucherInnen auf den digitalen Plattformen aufgenommen werden? Karwoche Karfreitag und Auferstehung online……

Warst Du auf dem Petersplatz als der Papst mutterseelenalleine den außerordentlichen Segen für die bedrohte Welt sprach?

Oder sitzt du schon  bei den  schutzlosen Frauen, Kindern und Männern in den Favelas von Rio de Janeiro, Caracas oder Lima, Mumbai, Nairobis, oder Kapstadt, wo das physische auf Distanz gehen zur  absoluten Farce  und die Regel sich mehrmals am Tag die Hände zu waschen zum reinen Zynismus wird?

Sitzt du in Manhattan auf dem stillen Broadway, auf der fast unbefahrenen Brooklyn Bridge oder in Harlem vor einer der vorübergehend still – gelegten  Black Churches?

Sitzt Du bei den 20.000 Geflohenen in Moria auf Lesbos zwischen Baum und Borke vor den Toren Europas, von wo es bisher keiner der EU Staaten für nötig hält diese Menschen zu evakuieren?

Sitzt du genau dort, um dich mit Deiner Scherbe in der Asche zu schaben?

 

Du kennst Dich doch aus,

wenn einem die Gesundheit genommen wird.

wenn einem die Existenz wegbricht.

wenn einem die Liebsten genommen werden.

 

Was machst Du dann?

Was erzählst Du den Menschen mit ihren Fragen?

Erzählst Du ihnen, wie Du bei aller Klage und Anklage am Lobe Gottes festgehalten hast?

Erzählst Du ihnen, dass Du in Deinem Leid die Schönheit der Schöpfung nicht vergessen hast?

Erzählst Du ihnen, dass es auch Dir unverständlich bleibt, das rechtschaffenden Menschen böses widerfährt?

 

Was fragen sie Dich?

Wollen Sie etwas von Dir wissen?

Oder stehen sie fassungslos davor,

wie Du aushältst?

wie Du nicht aufgibst?

wie Du Gott  dennoch lobst?

Dorothee Schaper, Köln, April 2020 für das  Projekt ‚Schriftgespür‘